Zur weiteren Namensdeutung "Mülsen"

Mülsen hat aller Wahrscheinlichkeit nach seinen Namen von dem Bache erhalten, an dem es liegt. Auf den ältesten Karten von Sachsen heißt er Milsena. Da der Mülsenbach ziemlich parallel mit der Zwickauer Mulde, auf alten Karten Milda genannt, fließt, so dürfte Mil(d)sena die Verkleinerungsform vom Milda sein; da Milda nach keltischer Wurzel = Wasser bedeutet, so Milsena = Wässerchen; also Mülsen, früher auch Mülßen, Milsen, nach den Visitationsprotokollen von 1539 und 55: Millesen und Mildissen geschrieben = Ort am kleinen Wasser. Diese Deutung wurde auch durch den zweiten Namen des Baches, den er in seinem Unterlauf und an seiner Mündung in das "große Wasser", die Mulde, im Volksmunde "die Gladschbach" führt, gestützt. Gladschbach, vom keltischen giolan heißt "kleiner Bach" nach der Verkleinerungssilbe giolaid-glad; die Schenke an der Mündung, darum bei Wulm, die "Gladschenke", nicht wie fälschlich geschrieben wird "Klatschschenke". - Der Milsenabach wird bereits in einer alten Urkunde von 1118 als Grenzbach der zur Pfarrkirche St. Marien in Zwickau gehörigen Ortschaften bezeichnet, welche Zehnten an dieselbe zu zahlen hatten. Das Gebiet, welches Bertha von Groitzsch der von ihr gestifteten Kirche verlieh, hatte folgende Grenzen: Im Osten der Mülsenbach bis zu seiner Mündung, südlich der Luderniberg (vielleicht der Lauterberg bei Lauter), die Mündung der Sturnica, (des Schwarzwassers) in die Mulde und der Hügel Nacuna, westlich die Quelle Albo distunica (= Wasserbrunnen, vielleicht der Edelsbrunnen, der bei Steinpleis in die Pleiße mündet) bis zur Mündung in die Pleiße, nördlich der Graben des Hyrsissprung (arz, celt. = Höhe, Berg; sprung = entspringen, Quell), wahrscheinlich "der Bach vom Berge", der Scheidenbach als Grenzbach, welcher parallel dem Mülsenbach fließt; und der Hügel Weidemannssiets = Weidmannssitz (vielleicht der Bergrücken von der Quelle nordwestlich, wo jetzt das Forsthaus "Weidmannsheil" steht). Mülsen, wie der ganze Mülsengrund, scheint danach früher zur Diöcese Zwickau gehört zu haben, wie zu dem Gau Zwicowe, der an den Pleißengau mit der Hauptstadt Altenburg und an den östlichen Gau Chutizi mit Glauchau stieß. Es stand ursprünglich unmittelbar unter den Meißner Burggrafen, weil es zur Grafschaft Hartenstein einbezirkt war, war also Reichslehn. Diese ward 1406 am 2. Juli, am tage visitationis Mariae, von von Heinrich II. von Meißen für 9000 alte rheinische Gulden "guten Goldes und genug an Gewicht auf neun Jahre an Veit von Schönburg verpfändet, bestehend aus dem Hochland des Erzgebirges, dem Fichtelberg, dem Schwarzwasser, dem Bogen der Mulde bis Hartenstein und Wildenfels bis hinüber an die Zschopau. Dazu gehörte noch Crottendorf, Lößnitz, Elterlein, Scheibenberg, Alt- und Neuwiesenthal, Stein, Wildenfels, Geyer und Obermülsen, die innerhalb dieses Landstrichs gelegenen Dörfer sowie 17 Hammerwerke mit allen Nutzungen, Zehnten, Frohnden und Lehen, welche die Mekow, von Rems, Günther von der Plawitz und von Schonow, Hans von Kauffungen, Eberhard von der Planitz, die von Uttenhoffen und andere inne hatten. Nach kleinen Streitigkeiten blieb die Grafschaft im Besitze Veits von Schönburg, der die Tochter Heinrichs II. von Meißen heiratete. So kam Mülsen unter die Oberlehnsherrschaft Hartenstein. 1740 kam es zwischen dem Zwickauer und Waldenburger Superintendenten zu einem längeren Streite, da jeder der beiden Mülsen als zu seiner Diözese gehörig ansah. Die Geistlichen sollten sächsische Befehle annehmen, da Schönburg kaiserliches Lehn war und darum unter kaiserlicher Hoheit stand. Der Zwist wurde durch einen Vergleich zwischen Ihrer Kaiserlicher Majestät, dem König von Polen und Kurfürsten im Mai 1740 beendet, nach welchem die Herren Grafen von Schönburg eine eigene Regierung und Konsistorium, welches immediate (unmittelbar) vom Kirchenrat in Dresden dependieret (abhängt), vergönnet, in welchem zum 1. Male examiniert und confirmiert auch ordiniert worden in der Stadtkirche zu Glauchau (gebaut 1140) Herr Magister Richter als Pastor zu Mülsen St. Micheln." (Über den Vergleich und seine Folgen siehe später.)

Der Name des Ortes Mülsen, (Mulsen, Mulsin, Milssein, Mülßen, Milsen) scheint darum deutscher Abkunft zu sein und zwar keltischen Ursprungs. Es haben also hier früher Kelten gewohnt, die durch die Slawen verdrängt wurden. In der späteren Zeit der allgemeinen Völkerwanderung von Westen nach Osten wurde dann der Mülsengrund wieder germanisiert und durch die Grünhainer Mönche, die ihren Hof in Zwickau, im jetzigen Gymnasium hatten, christianisiert. Die Grünhainer Mönche waren Zisterzienser, Grauröcke. Ihre Kulturarbeit tritt uns noch im Graurock, dem Walde bei Thurm entgegen. Thurm, celt. tor, in Urkunden deutsch "zum turmb", welches auch im Kirchensiegel einen Turm führt, war eines von den befestigten Bollwerken, welche die Deutschen im Elb-Saalegebiet, wie an der Mulde anlegten, um von dort aus mit bewaffneter Hand (es war der christliche deutsche Adel) die Slaven zurückzudrängen oder zu unterwerfen. Dadurch entstand in unserer Gegend baldigst ein deutsch-slavisches Mischvolk, deren Haupterwerbszweig neben der Töpferei die allenthalben eingebürgerte Weberei war. Auch die religiöse Schwarmgeisterei der ganzen Zwickauer Gegend hat gewiss ihre Anfänge von dem Vermischen der deutschen und slawischen religiösen Sitten und Gebräuche her, von dem allmählichen und slavisch-heidnischen Götterkultes. Die Slaven huldigten still in sich mystischen Spekulationen, sie liebten es, ein Leben innerlicher Beschaulichkeit mit religiöser Geheimniskrämerei zu führen, sie waren besonders gefühlsgläubig. Alle Spektiverei findet noch jetzt hier günstigen Boden, der Spiritismus ist noch immer vieler Geheimwissenschaft.

Wann die ersten Ansiedlungen in Mülsen St. Jacob stattgefunden haben, ist wohl kaum zu ermitteln. Es wird mit Mülsen St. Niclas Obermülsen genannt; wahrscheinlich ist Niclas die ursprüngliche Ansiedelung, die sich den Grund herab bis in unser Oberdorf bei der alten Kirche vorbei nach der sogenannten Klinge und dem Bärenbrunnen zu hingezogen hat, bei dem ja auch noch Mauerreste alter Gebäude gefunden worden sind. Bei der Christianisierung des Mülsengrundes sind nun jedenfalls einzelne Kapellen von den Grünhainer Mönchen gebaut und einzelnen Schutzheiligen geweiht worden. Der alte Flügelaltar unserer Kirche zeigt uns den heiligen Jacobus mit Stock und Medicamentenbuch in der Hand als Arzt der Kranken, Helfer der Notleidenden und Tröster der Betrübten. Sein Bild ist in den Kirchenstempel eingeschnitten. Der Stand der alten Kirche, deren Turm am südöstlichen Giebel sich befand, war von N.-W. nach S.-O., ein deutliches Zeichen dafür, daß das alte Dorf in derselben Richtung gelegen war, wie schon oben gesagt wurde; besonders des Turmes zeigt an, wohin sich der betreffende Ort zieht. Die Kirche von Mülsen St. Niclas hat genau dieselbe Lage, das alte Dorf hat darum dieselbe Richtung gehabt, wie das unsrige, von N.-W. nach S.-O. Wir dürfen daraus schließen, dass ganz Obermülsen in slawischer Zeit nach der Form eines Halbkreises angebaut war und zwar als Straßendorf, dessen Häuser rechts und links von der Straße errichtet wurden; hinter den Häusern schlossen sich die Fluren so an, dass jeder Hausbesitzer seine Felder bestellen konnte, ohne mit dem Nachbarn in Berührung zu kommen.

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